Africa on foot – der Trails Guide Kurs
Der von uns bei EcoTraining gebuchte Trails Guide Kurs zählte für uns bereits in den Vorbereitungen zu den Höhepunkten unserer Reise. 28 Tage lang zweimal täglich zu Fuss den Busch zu erkunden versprach aufregende Begegnungen und sehr viel Lerninhalt. Africa on foot – zu Fuss im Busch unterwegs zu sein ist ein vollkommen anderes Gefühl als dies mit dem Auto zu tun. Du wirst ein Teil der Szenerie, bist vollkommen verletzlich und alles wird intensiviert: Du siehst anders, du riechst anders und du empfindest anders. Gebucht haben wir den Kurs, um mehr über das Verhalten der (gefährlichen) Tiere zu lernen und Stimmungen besser einschätzen zu können. Dazu möchten wir gerne wissen, wie wir uns richtig verhalten im Falle einer unvorhergesehenen Begegnung.
Das Camp von EcoTraining
Das Camp, das EcoTraining in Botswana unterhält, befindet sich im Tuli Block, Nahe des Limpopo, an der Grenze zu Südafrika. Etwa 50 km entfernt von Central Mashatu liegt das Gebiet im Randgebiet des Mashatu Game Reserve. Die Gegend wird Land of the Giants genannt, da es hier mehr als fünfzig Baobabs gibt. Die Region bietet neben Ebenen eine nennenswerte Anzahl an Hügeln bzw. Felskämmen. Feuchtgebiete wechseln sich dabei mit kleinen Wäldern ab. Die Gegend ist abwechslungsreich und bietet drei der sogenannten Big 5 einen Lebensraum: Elefanten, Löwen und Leoparden.
18 Teilnehmer aus Europa und Afrika
Die anderen Teilnehmer unserer 18-köpfigen Gruppe kannten sich bereits. Sie waren seit mehreren Monaten gemeinsam unterwegs, da sie vorher in den Camps in Südafrika die Ausbildung zum Field Guide (Level 1) absolviert hatten. Ergänzt wurde die Ausbildung durch diverse Kurse, wie Tracking (Spuren lesen), Birding (Vogelkunde), Navigation und Rifle Handling (Umgang mit der Waffe) etc. Mehr als 80 % der anderen Teilnehmer kamen aus Europa, der Rest aus Südafrika, Mauritius und Zimbabwe. Die meisten der Teilnehmer sind Anfang bis Mitte zwanzig und gönnen sich eine Auszeit mit einem Abenteuer zwischen Schule und Studium oder zwischen Bachelor und Master.
Die Afrikaner möchten grösstenteils gerne in der Guiding Industrie arbeiten, während es für die allermeisten Europäer eher um eine persönliche Erfahrung geht. Insbesondere in Südafrika ist es extrem schwierig, als Ausländer eine Arbeitserlaubnis zu erhalten, was das Erlangen eines Jobs nicht einfacher macht. Wir hatten bei unserer Anreise Glück, denn das Bush Camp von Ecotraining liegt direkt am Motloutse River und ist von zwei Seiten erreichbar. Beim schnelleren Weg, der durch eine Farm führt, muss man das Flussbett durchqueren. Unser GPS hat sich für diesen Weg entschieden. Wir konnten das Flussbett ohne Probleme durchqueren, da der Fluss nur sehr wenig Wasser führte.
Wir waren, bedingt durch die eigene Anreise, etwa zwei Stunden vor den anderen Teilnehmern im Camp und konnten uns in Ruhe umsehen. Der Anreisetag dient der Orientierung, dem Ankommen und der Besprechung von Abläufen. Am 09. Januar konnte unser Abenteuer dann starten. Je Tag sind zwei Bush Walks vorgesehen. Der Erste beginnt um 05:30 Uhr (Wecken ist um 04:30 Uhr) und dauert zwischen 4 und 5 Stunden und der Zweite startet um 16:00 Uhr und dauert etwa 3 Stunden.
Eine brüllende Überraschung zu Beginn
Der Start hatte es in sich. Wir waren bei unserem ersten Walk gerade einmal etwa 100 m weit gekommen, da wollte Lazarus, unser botswanischer Instruktor, uns erklären, dass es wichtig ist auch leichte Erhöhungen zu nutzen, um die Gegend zu scannen, als er plötzlich „Lion“ rief. Es dauerte eine Zeit, bis wir alle begriffen, dass das kein Spass war, sondern sich etwa 25 Meter(!) vor uns hinter einem kleinen Busch ein männlicher Löwe befand, der uns anschaute. Es handelt sich dabei um ‚Blondy‘, ein Part einer Koalition, die im letzten Sommer das dominante Männchen aus der Region vertrieben hatten und das Rudel übernahmen.
‚Blondy‘ ist auf Menschen nicht gut zu sprechen. Er wurde Opfer einer Schlinge, die von Wilderern auslegt wurde. Man musste ihn betäuben und unter Narkose befreien. Er hat eine bleibende Schädigung an einem Hinterlauf davon getragen und zieht einen Fuss etwas nach, ist aber beim Laufen und Jagen nicht beeinträchtigt. Nun stand also dieser Löwe vor uns und als ihm klar war, das wir ihn entdeckt hatten, kam er aus seiner Deckung und zeigte sich in seiner ganzen Grösse. Wir hockten alle auf dem kleinen Termitenhügel und 18 aufgeregte Augen starrten ihn an. Stand your ground ist die allerwichtigste Regel. Renne niemals weg, egal was passiert.
Blondy fixierte uns und kam näher. Als er etwa 12–15 Meter von uns entfernt war, blieb er stehen. Seine Schwanzbewegungen signalisierten, dass er darüber nachdachte uns anzugreifen. Zweimal bewegte sich der Schwanz schnell von links nach rechts – wie man es auch von unseren Hauskatzen her kennt – während er uns fixierte. Glücklicherweise stoppte er, sah uns noch eine Weile an und entschied sich dann, seitlich wegzugehen, in der Nähe zu markieren und dann hinter den Büschen zu verschwinden.
Was für ein Erlebnis
Was war denn das? War das jetzt wirklich passiert? Das war ja unfassbar – was für ein Auftakt. Blondy ist wesentlich problematischer als sein Bruder (der keine schlechte Erfahrung gemacht hat und total relaxt ist, wie wir wenige Tage später noch erfahren sollten) und unsere Gruppengrösse von neun Teilnehmern zzgl. zwei Guides war bei dieser Begegnung sicher kein Nachteil. Im Laufe der ersten Tage spielten wir uns alle ein und gewöhnten uns an den Tagesrhythmus.
Wir liefen täglich zwischen 7.5-8 Stunden durch den Busch und hatten regelmässig Begegnungen mit Elefanten und/oder Löwen. Das war absolut aussergewöhnlich und wir waren vom Glück geküsst. Einer unserer Instruktoren berichtete uns, dass er häufiger mehrere Wochen keine einzige Sichtung – bezogen auf gefährliche Tiere – mit den Gruppen erlebt. Die erste Woche verlief wie im Rausch. Morgens waren wir spätestens um 4.00 Uhr wach und freuten uns auf die kommenden Begegnungen mit der afrikanischen Tierwelt.
Noch eine Löwenbegegnung
Den Bruder von Blondy trafen wir, gemeinsam mit zwei Löwinnen und drei Babys, im Flussbett an. Während die Mutter der Babys unruhig und gereizt auf unsere Anwesenheit reagierte, war der männliche Löwe entspannt und beachtete uns gar nicht. Als die beiden Löwinnen mit den Jungtieren im Busch verschwanden, näherten wir uns im langsam bis auf ca. 30 Meter. Er stand dann einmal kurz auf, sah uns an, drehte und legte sich erneut hin. Löwen zu Fuss zu begegnen ist faszinierend!
Wenn du unter einem Baum im Schatten sitzt und eine Herde Elefanten beim Fressen beobachtest ist das unglaublich – vor allem, wenn sich die Elefanten ca. 20–50 Meter von dir entfernt aufhalten und keine Kenntnis darüber haben, dass du da bist. Wir haben insbesondere in der ersten Woche extrem viel gelernt. Das anpirschen unter Berücksichtigung des Windes, des Sonnenstandes, der Nutzung von natürlichen Deckungsmöglichkeiten, Fluchtwegen für Mensch, Tier und Rückzugswegen ist hoch spannend und beinhaltet wesentlich mehr, als man vermuten würde, wenn man mal das Vergnügen hatte, in einer Lodge an einem bush walk teilzunehmen.
Konfrontationen und Zonen
Die Begegnung mit Blondy war eine Konfrontation und ist, wenn irgendwie möglich, zu vermeiden. Konfrontationen bedeuten Stress für alle Beteiligten aber diese lassen sich eben nicht immer vermeiden. Im Fall von Blondy hat er die Entscheidung getroffen, sich uns zu nähern und er hat unsere Komfortzone schon unterschritten, was ihm bewusst war. Auch das Thema der Entfernungen und Unterscheidungen in vier verschiedene Zonen (critical-, warning-, alert- and comfort zone) ist hoch spannend und eine detaillierte Kenntnis darüber hilft, Begegnungen friedlich ablaufen zu lassen.
Die allermeisten ernsten Zwischenfälle geschehen, weil Guides Grenzen überschreiten, um ihren Gästen besondere Erlebnisse zu ermöglichen oder weil sich Walking-Gruppen und Wildtiere unvermittelt begegnen und sich vorher nicht gesehen/gehört oder gerochen haben. Fortsetzung folgt…