Von der Shigu Farm war es nur eine etwa dreistündige Fahrt zum Kasanka National Park. Dieser eher kleine und überschaubare Park wird für knapp drei Monate im Jahr, von Oktober bis Dezember, zum Star. In dieser Zeit beherbergt er die grösste Säugetier-Migration der Welt. Von weit her, aus der Demokratischen Republik Kongo und sogar aus Westafrika(!) machen sich insgesamt ca. 8 – 10 Millionen Palmenflughunde auf den Weg nach Kasanka und kommen in diesen drei Monaten hier zusammen. Wir konnten uns für zwei zusammenhängende Nächte auf einer Campsite im Park einbuchen und buchten zudem einen Platz in einem der wenigen Hides. An verschiedenen Stellen im Park wurden Plattformen (12-18 Meter hoch) errichtet, die man buchen kann, um das Ausschwärmen der Tiere bei Sonnenuntergang verfolgen zu können.
Wir richten uns ein
Unsere Campsite ist eher unbeliebt, weshalb sie noch verfügbar war. Als wir sie nach einer etwa 12 km langen Fahrt erreichten, waren wir positiv überrascht. Wir hatten einen tollen Ausblick und alles war frei und grosszügig. Unsere Toilette hatte einen Sitz – nein, das ist nicht selbstverständlich – und die Dusche war eine klassische Bucket-Shower, also eine Eimerdusche. Viele Reisende sind scheinbar lieber näher am Geschehen und mögen es nicht, die sechs Mehrkilometer auf sich zu nehmen. Uns hat das nichts ausgemacht und de beiden Mitarbeiter auf der Campsite waren freundlich und zuvorkommend. Nachdem wir uns eingerichtet hatten, besprachen wir noch die Zeiten für die Dusche und das Lagerfeuer, bereiten die Ausrüstung vor, packten genügend Wasser ein und machen uns dann auf den Weg zum Treffpunkt.
Ab in schwindelerregende Höhen
Am Treffpunkt angekommen, wartete unser Guide bereits auf uns. Wir machten uns gemeinsam mit einigen anderen auf, den neu gebauten David Lloyd Hide zu besteigen. Das Konstrukt besteht aus Stahl und die innenliegende Treppe verfügt nicht über Trittstufen. Wir dachten nicht näher darüber nach und stiegen Sprosse um Sprosse hinauf, bis wir schliesslich auf einer Plattform in knapp 12 Meter Höhe angekommen waren. Die anderen Teilnehmer waren ein filmender Mitarbeiter von Ironman 4×4, einer der Inhaber von Ultimate Adventures und zwei weitere Personen, die wir nicht kannten. Ultimate Adventures hatte eine Abenteuerreise organisiert und die anderen Teilnehmer waren auf einem eigenen Hide. Da dieser für alle zu klein war, kamen sie mit zu uns.
Warten auf die Palmenflughunde
Wie ist wohl das Gefühl, wenn Millionen von Palmenflughunden über deinem Kopf fliegen? Wir hatten keine Antwort auf die Frage und warteten, bis die Sonne langsam unterging. Dann, ganz plötzlich, sahen wir die ersten Flughunde aus dem Wald auftauchen. Es wurden mehr und mehr und nach einer guten Viertelstunde war der Himmel übersät mit Flughunden. Sie drehten zu Millionen, 10-20 Meter über unseren Köpfen, ihre Kreise. Fotografisch war das für Guido die Hölle. Sie starteten erst bei später Dämmerung und das 500 mm Teleobjektiv hatte eine Offenblende von 4. Der Autofokus der Sony A1 leistete auch bei diesen schlechten Bedingungen erstklassige Arbeit. Der Preis der späten Stunde manifestierte sich dann in ISO-Zahlen von 12.800. Die letzten Bilder sind dann sogar bei nur noch 1/100 Sek. entstanden. Abartig, aber ja, das Leben ist manchmal hart und ungerecht (*haha)
Wie haben wir das Erlebnis im Kasanka National Park wahrgenommen?
Um es direkt zu sagen: es war unmöglich und absolut ausgeschlossen, den Eindruck des räumlichen Sehens hier irgendwie einzufangen. Die Palmenflughunde sind mit einer Körperlänge von bis zu etwa 20 cm keine Riesen. Dazu kommt, dass sie sich in einiger Entfernung über unseren Köpfen befanden. Die schiere Masse an Tieren liess sich sehr schlecht so einfangen, dass es dem Gefühl nahe kommt, dass du in diesem Moment hast. Wenn du dich dem Moment hingegeben hast und einfach nur im Moment warst, war es grandios. Es war ergreifend – erwachsene Männer hatten Tränen vor Rührung in den Augen – aber es war leise ergreifend. So wie das ganze Spektakel leise abläuft, so bahnt sich auch die Ergriffenheit leise ihren Weg durch deinen Organismus. Wenn sie tief in dir angekommen ist und sich zeigt, fühlst du eine tiefe Verbundenheit mit allem, was ist und bist dankbar, dass du das erleben durftest.
Auf der Suche nach neuen Perspektiven
Für uns war klar, dass wir am nächsten Tag den Public Viewing Spot am Boden ausprobieren wollten. Ein weiterer Abend auf dem Hide hätte nichts Neues gebracht. Wir bahnten uns beizeiten den Weg und waren gespannt, ob wir weitere Menschen dort treffen würden. Als wir uns gerade eingefunden hatten, kamen Alex und Petr um die Ecke. Diese beiden sind zwei lustige und sehr sympathische Männer aus Kenia. Sie betreiben dort ein Safari-Unternehmen für mobile Foto-Safaris und waren auf einer privaten Auszeit. Wir hatten viel Spass mit ihnen und es war so spannend, diese Ergriffenheit auch bei ihnen beobachten zu können. Interessant war, dass die Palmenflughunde auch bei Beobachtung am Boden die Flughöhe in etwa anpassten und wir eine sehr ähnliche Perspektive zu der auf dem Hide hatten.
Da wir nun wussten, was uns erwarten würde, konnten wir uns noch besser auf das Spektakel einlassen. Guido machte einige Fotos aus vorher erkundeten Perspektiven – dieses Mal überwiegend mit dem Weitwinkelobjektiv – und konnte ansonsten dieses Naturereignis geniessen.
Wir verlassen den Kasanka National Park
Am nächsten Morgen verliessen wir zufrieden den Park und reisten weiter in den Norden Sambias. Wir wollten ausgesuchte Wasserfälle besuchen und dann über den Norden zum South Luangwa National Park fahren. Wir wussten zu dem Zeitpunkt noch nicht, was uns noch alles erwarten würde.