Nachdem wir das Tankwa Tented Camp verlassen hatten, war unser nächstes Ziel eine Naturfarm in der Region Zederberg. Wir entschieden uns für einen Weg durch die unberührte Natur und folgten zunächst der R355 in Richtung Calvinia. Nach etwa 40 gefahrenen Kilometern bogen wir nach links ab und folgten einem unbeschrifteten Abzweig. Dieser Weg führte uns über diverse Farmen und der Track war in einem schwer mitgenommenen Zustand. Allenthalben war die Regenzeit bzw. deren Auswirkung zu sehen. Ausgewaschene Wege waren genauso normal wie schwere Erosion links und rechts des Weges. Es galt zudem einige – mit grossen Steinen notdürftig ausgebesserte – nennenswerte Stufen zu überwinden. Wir frassen uns Meter um Meter durch den Weg und gelangten schliesslich auf eine Art Bergpfad. Die Aussicht war stellenweise wunderschön.
Hat jemand einen Fluss erwähnt?
Nach insgesamt 64 mühsam gefahrenen Kilometern – wir benötigten mehr als drei Stunden für die Strecke – fuhren wir den Bergpfad talwärts, kamen um eine Ecke und standen unvermittelt vor einem ausgewachsenen Fluss. Oh Gott, das darf doch wohl nicht wahr sein erklang es vom Beifahrersitz. Von einer Flussüberquerung stand da nirgends etwas, wirklich nicht – verteidigte sich Sonja, während Guido mit einem Grinsen im Gesicht ans Ufer rollte. Du kannst da vorne wenden, das darf doch wohl nicht wahr sein. Immer ruhig, ertönte es vom Fahrersitz und während Sonja Guido erklärte, dass es ausser einer Umkehr keine Alternative gäbe, stand der bereits am Wasser und studierte die Fluten. Er kehrte zurück, begann sich auszuziehen und erklärte der immer hektischer werdenden Sonja, dass er beabsichtige einmal durch den Fluss zu laufen um zu sehen was überhaupt Sache ist. Sonja hatte den Horror ins Gesicht geschrieben.
Diskussionen und Gespräche
Der bis auf die Unterhose ausgezogene Guido griff sich die Badeschuhe, die endlich einmal zum Einsatz kommen konnten, zog sie an und lief los. Er erreichte das andere Ufer, wo mittlerweile ein Paar stand und wild mit Guido über die Bedingungen diskutierte. Diese wollten den Fluss in die andere Richtung queren, waren aber mit einem SUV unterwegs und hatten nicht einmal eine Offroad-Bereifung auf dem Fahrzeug. Guido riet ab und ihre spätere Entscheidung, umzukehren, war das Beste was sie tun konnten. Es kamen noch zwei junge Männer von einem nahegelegenen Camp hinzu und Guido nutzte die Gelegenheit um über die Details einer Flussquerung mit diesen Locals zu sprechen. Sie rieten uns zwar grundsätzlich ab aber andererseits war der Wasserpegel deutlich unterhalb jenes vom Boteti in 2019. Das sollte also kein Problem sein. Der Untergrund war ebenfalls machbar – er bestand aus Sand mit Steinen, wobei die Fallstricke einige Felsen darstellten, die unter Wasser schwer zu sehen waren. Es war also nötig an einer Stelle einen Bogen zu fahren um das Fahrzeug nicht zu beschädigen. Die Strömung war spürbar, forderte Guido aber beim durchwaten nicht sonderlich und so sollte sie auch dem Auto nichts anhaben.
Nein, nein und nochmals nein!
Guido entschloss sich eigenmächtig die Querung zu wagen. Er mag – im Gegensatz zu Sonja – Wasserdurchfahrten, war mittlerweile erfahren und konnte immer die Ruhe bewahren und gut funktionieren. Er kam zurück – die Unterhose war am unteren Ende nass, was ungefähr einem Pegelstand von 85 cm entspricht – und teilte Sonja seine Entscheidung mit. Diese wurde hektisch und wollte das Unheil abwenden. Das machen wir auf keinen Fall – guck dir mal den Fluss an. Wir kehren um, basta. Ich steige NICHT in das Auto ein! Nach einem kurzen Gespräch und Guidos Bemühungen, Sonja zu beruhigen sah die Einigung so aus: Sonja quert den Fluss ebenfalls zu Fuss und wir nutzen diese einmalige Gelegenheit, um endlich einmal bewegte Bilder von einer solchen Durchfahrt zu haben.
Adrenalin? Adrenalin!
Während Sonja sich auszog und ihre Badeschuhe anlegte, zog Guido sich wieder an und bereitete sich vor. Er drückte Sonja eine Action Kamera mit Mikrofon in die Hand – vergass dabei jedoch leider, dass diese sich im manuellen Modus befand – und dann wartete er, bis Sonja auf der anderen Seite ankam. Er setzte sich ins Auto, aktivierte den Allrad-Modus, schaltete in die Untersetzung, legte den zweiten Gang ein und startete sanft, ins Wasser rollend, sein Abenteuer. Einer der beiden jungen Männer stand neben Sonja, hatte sein Handy gezückt und filmte das Ereignis ebenfalls. Guido folgte der festgelegten Route und fuhr in gleichmässigem Tempo durch den Fluss. Nach ziemlich genau 45 Sekunden war der Spuk vorbei und der Donkey hatte wieder trockenen Boden unter den Reifen. Die Anspannung fiel ab und alle Beteiligten waren glücklich. Der junge Mann gratulierte uns und fragte umgehend ob wir einverstanden seien, dass sie das Video auf ihrem Facebook Kanal posten, um zu zeigen wie man den Fluss quert. Wir gaben ihm die Erlaubnis und nach einem weiteren kurzen Gespräch und der Besichtigung des Camps, entschieden wir spontan bei ihnen am Fluss an einer wundervollen Stelle zu kampieren.
Das Desaster wird sichtbar
Guido war noch die Freude ins Gesicht geschrieben, als Sonja zu ihm kam und unsicher war ob das was geworden sei, da alles so hell war. Wie bitte? Nein, nein, das kann nicht sein. Das darf einfach nicht sein. Nach Begutachtung des Videos in der Kamera, war umgehend klar, dass das Video total überbelichtet aufgenommen wurde. Ein einziger Klick und die Umstellung auf Automatik wäre erfolgt und das Video wäre etwas geworden. Guido zog sich den Schuh an. Er hat in der Aufregung einfach vergessen diese Einstellung zu ändern. Die Kamera war auf Aufnahmen im Innenraum des Autos optimiert. Naja, dann hoffen wir mal, dass das Handyvideo gut geworden ist, hörte Sonja ihn sagen. Wenige Minuten später gestand der junge Mann, dass das Video irgendwie nicht gestartet hat und er das, geblendet von der Sonne, nicht gesehen hat. Er hat das Video erst aktiviert, als er es eigentlich beenden wollte. Ist das jetzt wirklich passiert?
Die Vernunft hält Einzug
Guidos erste (Trotz-)Reaktion lautete: wir machen das nochmal. Ich fahre wieder zurück, kehre um und dann filmen wir wieder. Dann mit Video auf Stativ und Drohne, die neben dem Auto herfliegt. Quasi das volle Programm. Die beiden Jungs stachelten ihn an und bekräftigten ihn, dass das gut machbar sei und er das nochmal erfolgreich tun kann. Am Ende, nach einer Nacht und einem Zwiegespräch mit sich selbst, entschied Guido sich dagegen. Sonja war darüber froh – sie hatte sich jedoch vorher nicht intensiv eingemischt, auch weil Guido noch in seiner Trotzphase war. Obwohl Guido wirklich gerne Bilder von diesem Abenteuer gehabt hätte – es war die insgesamt vierte ernsthafte Flussdurchquerung und es gibt von keiner einzigen brauchbare Aufnahmen – erkannte er selbst, dass es sich dabei nur um die Befriedigung des Egos handeln würde und es keinen einzigen guten Grund gäbe um das zu tun.
Wann überquert man einen Fluss?
Es macht keinen Sinn, einen Fluss aus Spass zu durchqueren. Es sollte immer einen gewichtigen Grund geben. Das Material wird dabei beansprucht und und es besteht selbstverständlich auch immer die Gefahr, dass das Unterfangen schief geht und das Auto stecken bleibt. Was immer das am Ende bedeutet. Es gibt gute Möglichkeiten, die Risiken deutlich zu minimieren. Die Höherlegung der Luftansaugung durch einen Schnorchel, die Nutzung von Höherlegungskits für die Entlüftung der Achsen und Differentiale, eine angemessene Bereifung und zu guter Letzt, das ablaufen des Gewässers – sofern das möglich ist – reduzieren die Gefahr, dass etwas passiert. Unser Auto erfüllt alle Voraussetzungen für Wasserdurchfahrten und dennoch ist (eigentlich) klar, dass wir das nur machen wenn es notwendig erscheint.
Anekdote zum Schluss
Etwa eine Stunde, nachdem wir den Fluss durchquert hatten, kam ein älterer Herr mit seinem Sohn und stand ebenfalls vor der Entscheidung. Sein Auto war gewappnet, er allerdings hörte nicht richtig zu. Er wusste es besser als die Menschen die dort wohnen und auch Guido, der ihm mehrfach die Fahrlinie beschrieb, schenkte er nur eine eingeschränkte Aufmerksamkeit. Trotz der Aufforderung, doch einmal selbst hindurchzuwaten und die Linie abzulaufen, verzichtete er darauf und war der Meinung alles sei klar. Er schien sehr aufgeregt zu sein, fuhr dann los, hatte ein viel zu hohes Tempo drauf, wählte die falsche Linie und fuhr prompt auf einen Felsen auf. Er bremste, setzte zurück und das Auto bockte seitlich über den Felsen wie ein Rodeopferd. Als er an der anderen Uferseite ankam, hatte sich jedoch einen Schaden am Auto zugezogen. Das Auto verlor Öl. Nach einer Besprechung mit seinem Mechaniker – er querte für diese Gespräche viermal(!) zu Fuss den Fluss um das Wlan des Camps zu nutzen – setzte er am nächsten Morgen seine Fahrt fort. Was aus ihnen wurde, wissen wir nicht.
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