Im Bereich um Hermanus, genauer gesagt in Gansbaai, befinden wir uns in einer Hochburg der marinen Wildlife-Industrie. Der Preis für eine Tour ist fast doppelt so hoch wie in Plettenberg Bay, die Schiffe sind dreimal grösser und der Durchlauf ist gigantisch. Wenn wir noch Buckelwale sehen wollen, müssen wir hier unser Glück versuchen. Bis zuletzt ist Guido skeptisch. Solche Massengeschichten sind nicht unser Ding aber es bleibt dabei – hier ist die letzte Chance, Wale zu sehen. Ansonsten bleibt es bei den Erinnerungen, die wir von den Sichtungen an Land in Tsitsikamma haben.
Der Gang zum Office
Wir geben die Adresse des Anbieters ins Navi ein und werden nach Kleinbaai, unmittelbar neben Gansbaai geführt. Als wir die Türe öffnen, stehen wir in einem Mix aus Bar, Restaurant, Souvenirshop und Verkaufsbüro. Riesig, voll, und laut. Auf zwei Etagen tummeln sich Menschen. Wir sprechen die Dame an der Information an und sie schickt uns durch den Souvenirshop, über eine Aussenterrasse zu einem anderen Bereich – dort kann man die Waltouren buchen. Als wir dort ankommen, stehen dort etwa 50 Menschen in Trauben zusammen, trinken Kaffee und essen Muffins. Wir hören ein Lachen hier und ein Glucksen dort. Dann müssen alle zusammenkommen und erhalten eine Sicherheitseinweisung per Video. Kein Zweifel, das hier ist eine Tour, die gleich losgeht. Guidos Grummeln kommt wieder – wollen wir das wirklich?
Das Prozedere
Wir warten, bis die Einweisung fertig ist, dann können wir mit der zuständigen Mitarbeiterin sprechen. Sie erklärt uns nochmals das Vorgehen und Guido berichtet von Plettenberg. Sie zückt ihr Handy und zeigt uns die Sichtungen der letzten Tage. Im Moment ist es super, die Gruppen kommen begeistert zurück – alles ist super. Die Marketingmaschinerie läuft auf Hochtouren. Können wir uns morgen früh spontan anmelden? Sie lacht und verneint. Die Gästehäuser schicken uns soviele Leute, das wird nicht klappen. Ok. Wir gehen ins Restaurant, besprechen uns und sehen uns dann wieder, einverstanden? Ok, einverstanden.
Die Entscheidung
An der Wand im Restaurantteil des Komplexes hängt ein grosser Fernseher, auf dem die Bilder der erfolgreichen Touren zu sehen sind. Die Marketingmaschinerie läuft. Wir haben genügend Zeit um zu bestellen, schauen uns immer wieder an und treffen dann eine Entscheidung. Wir sind an dem Ort grundsätzlich total verkehrt und dennoch buchen wir.
Sonja entscheidet, dass wir die 14.00 Uhr Tour nehmen. Dann hast du etwa eine Stunde weicheres Licht zum Ende hin. Das Argument überzeugt Guido und während Sonja auf das Essen wartet, bucht er die Tour. Während wir essen meldet sich Guidos Handy. Die Zahlungsaufforderung ist eingegangen. Er zahlt online, dann kommt die Bestätigung und wir sind dabei.
Die Tour startet
Am nächsten Tag sind wir pünktlich zurück und dieses Mal nehmen wir uns einen Kaffee und Muffins. Nach dem kurzen Sicherheitsvideo geht es auch schon los. Jeder bekommt eine Rettungsweste und auf Wunsch eine Regenjacke um nicht nass zu werden. Wir laufen zum Hafen und warten auf das Boot. Mit Verspätung erscheint das Boot am Horizont. Es läuft in den Hafen ein und wird von einem grossen Traktor an Land gezogen. Die Vormittagsgruppe klatscht – Guido erinnert sich an Ferienflüge aus seiner Kindheit, als nach der Landung alle geklatscht haben. Dann wird die Treppe angeschoben und die Gruppe kann das Schiff verlassen. Nun steigen wir ein und suchen uns einen Platz. 45 Passagiere haben Platz an Bord. Alle sitzen seitlich zur Fahrtrichtung und es gibt zwei Ebenen. Strategisch ist die obere Ebene besser, da man dort einen Rundumblick hat und sich etwas freier bewegen kann. Wir schaffen es als letzte nach oben und sind zufrieden – das hat schon einmal geklappt.
Haie und Delfine
Nachdem wir den Hafen verlassen, fahren wir an der Küstenlinie die Bucht entlang. Wie wir über Lautsprecher erfahren, ist der Kapitän auf der Suche nach Buckeldefinen, die sich nah am Ufer bewegen. Nach insgesamt etwa 25-30 Minuten Fahrzeit erreichen wir das Haiboot der Schwesterngesellschaft. Hier legen wir seitlich an und sehen einen Käfig, der aussen am Boot angebracht ist. Etwa 7 Menschen befinden sich in dem Käfig, weitere 20-25 sitzen in Neoprenanzügen an Bord und schauen gespannt hinunter. Zwei Crewmitglieder stehen links und rechts vom Käfig und sind damit beschäftigt kleine Bojen an langen Tauen ins Wasser zu werfen. An den Bojen sind Fischstücke, in Fischöl getränkt, befestigt. Immer und immer wieder werfen sie diese Bojen ins Wasser. Das Fischöl soll die Haie anlocken.
Die Maschinerie läuft
Dann erscheinen zwei, die Crew ruft aufgeregt dass sie tauchen sollen und die Mitarbeiter ziehen die Bojen in Richtung Käfig. Vor dem Käfig drehen die Haie dann ab und nasse Menschen in Neoprenanzügen tauchen auf und verleihen ihrem soeben vollzogenen Adrenalinkick einen geräuschvollen Rahmen. Nein, das ist nicht unsere Welt. Wir warten einfach bis es vorbei ist. Die Mitarbeiterin mit dem Mikrofon auf unserem Boot kommentiert die Vorgänge lautstark und erklärt, dass es sich dabei um einen Spass für die ganze Familie handelt, dass es total ungefährlich sei und das der jüngste Mensch im Käfig drei Jahre jung war. Buchen könne man gerne nach der Rückkehr.
Finden wir Buckelwale?
Als wir ablegen, wissen wir, dass es nun ernst wird. Nun kommt der Teil der Tour, der für uns alles entscheidet, denn nun gibt es kein Netz und keinen doppelten Boden. Wir fahren im Wind über den sehr rauen Atlantik – der Unterschied zum indischen Ozean ist enorm. Nach weiteren 30 Minuten ohne eine Spur sehen wir zwei afrikanische Pinguine schwimmend vor uns. Sie sind scheu und tauchen ab. Wir fahren weiter und dann passiert es. Plötzlich geht ein Raunen durchs Boot, denn einige hundert Meter entfernt sehen wir einen Buckelwal aus dem Meer springen. Das Adrenalin schiesst nun durch unsere Körper, als der Kapitän Vollgas gibt und über die Wellen schiesst, um den Riesen näher zu kommen. Wir nähern uns auf etwa 50 Meter und dann erleben wir ein Spektakel, wie es selten vorkommt. Zwei Buckelwale springen sicher zwanzig Mal in die Luft. Mal kerzengerade, mal nur angedeutet, ein Mal sogar vollständig quer in der Luft liegend.
Die Emotionen kochen über
Das was sich gerade vor unseren Augen abspielt ist das grossartigste was man auf einer solchen Tour erleben kann. Um das zu sehen, geben pro Tag hunderte von Menschen an der Küstenlinie Südafrikas viel Geld aus und hoffen, dass sie zu den Glücklichen gehören, die dieses Spektakel erleben dürfen.
Wir sind privilegiert und wissen das. Das Gefühl, wenn sich 40 Tonnen Masse kerzengerade aus dem Wasser erhebt und pure Lebensfreude ausstrahlt ist unbeschreiblich. Guido ist sehr ergriffen und den Tränen nahe. Es ist wie eine tiefe Verbindung, die diese Freude vermittelt. Diese beiden Buckelwale haben mit uns kommuniziert und tiefe Brummgeräusche ausgestossen – ähnlich den Geräuschen von Elefanten. Sie befanden sich unter Wasser, haben ihre Schwanzflossen hinausgehoben und damit gewunken. Diese etwa zwanzig Minuten Zeit gehören zu den grossartigsten, die wir je hatten. Als wir die beiden dann weiterziehen lassen und unsere Fahrt fortsetzen, ist die Tour für uns eigentlich beendet und wir sind glücklich.
Dyer Island und die Shark Alley
Was folgt sind noch die weiteren Sicherheitsleinen dieses Anbieters. Wir fahren nach Dyer Island, zu einer Seehundkolonie von etwa 60.000 Tieren. Auf einer weiteren kleinen Insel unweit davon, nisten Seevögel und leben afrikanische Pinguine. Der Bereich dazwischen wird Shark Alley genannt, da die Haie hier einen reich gedeckten Tisch vorfinden. Nachdem wir uns eine Weile dort aufhalten, verlassen wir die Region und nehmen Kurs auf den Hafen. Die Crew ist gelöst und lacht – das war eine Tour nach ihren Wünschen. Wenn selbst die Crewmitglieder ihre Handys zücken, weisst du, dass das was passiert ist, nicht jeden Tag vorkommt. Ein Blick in den Blog des Anbieters zeigt wie privilegiert wir waren.
Fazit und Gedanken
Nun haben wir zwei Touren mitgemacht und wie aus dem Lehrbuch haben wir beide Extreme erleben dürfen. In Plettenberg Bay haben wir keine Wale gesehen und in Kleinbaai haben wir das Maximum erlebt, das möglich ist. Schaut man auf den Blog, bekommt man einen guten Eindruck, was wahrscheinlich ist. Etwas in der Mitte ist am wahrscheinlichsten. Wale zu sehen ist wahrscheinlich. Springende Wale zu sehen ist unwahrscheinlich. Das ist eben das Wildlife und wenn man damit wirklich einverstanden ist, dann kann man mit allem leben. Dinge nicht zu erzwingen gibt eine Befriedigung. Wenn sie dann dennoch geschehen, ist diese echte Begegnung so viel mehr wert als jede erzwungene mit domestizierten Tieren oder mit manipulierten Situationen es je sein könnte. Wir kennen das gut aus dem Busch, wo wir nach genau dem Motto verfahren. Wir bleiben dabei: das echte wilde Leben ist unser Ding. You never know what you get – und das ist gut so.