Willkommen im Massentourismus des Sossusvlei
Grösser könnte der Kontrast und der Schock nicht sein. Eben noch ganz alleine in einer traumhaften Umgebung, mit einem reduzierten Pulsschlag unterwegs, kommen wir nach einer Fahrt über arges Wellblech (African Massage) in das Mekka der touristischen Hektik: Sesriem. Im Nationalpark, in dem das Sossusvlei liegt, gibt es eine staatliche Campsite. In der näheren Umgebung ausserhalb befinden sich weitere Übernachtungsmöglichkeiten. Wer im Park wohnt, erhält als Privileg die Genehmigung, eine Stunde eher in den Park zu dürfen und am Abend eine Stunde länger darin zu bleiben.
Take it or leave it
Selten in unserem Leben haben wir gelangweiltere Menschen erlebt als die Mitarbeiter hier an der Rezeption. Da man heute fully booked ist, wird uns eine Overflow Campsite angeboten. Diese sind direkt an der Strasse, teilen sich alle einen heruntergekommenen Ablution-Block und sind less shady. Sie bieten also so gut wie keinen Schatten. Der Preis ist mit 350 NAD pro Person nicht nur identisch zu den regulären Stellplätzen, sondern für das Gebotene eine absolute Frechheit. Nach einer kurzen Beratung beschliessen wir, eine Nacht zu buchen. Wir möchten gerne so früh wie möglich nach Sossusvlei fahren und deshalb bewerten wir diese extra Stunde am Morgen sehr hoch. Sofern wir unsere neue Batterie rechtzeitig erhalten, können wir bereits am Nachmittag eine erste Erkundungstour unternehmen.
Unsere Batterie ist in Sesriem
Gegen 16.15 Uhr machen wir uns auf den Weg in das angegebene Hotel, um zu schauen, ob der Guide mit seiner Gruppe bereits eingetroffen ist. Auf dem Weg sieht Guido einen Sprinter der angegebenen Firma und wir kommen zeitgleich mit der Gruppe am Hotel in der Nähe von Sesriem an. Der Guide ist super nett und wir sind nun im Besitz einer neuen, zweiten Batterie. Nach dem Einbau und kleineren Anpassungen machen wir uns gegen 17.00 Uhr auf den Weg nach Sossusvlei. Hierzu fährt man über eine 60 km lange geteerte Strasse durch die Wüste. Fährt man anfangs noch durch buschige Landschaften, werden diese zügig von den Dünenlandschaften der Namib abgelöst.
Abbruch auf dem Weg ins Sossusvlei
Die Lichtstimmung war wunderbar und wir fuhren durch mehrere kleine Sandstürme. Durch den sehr starken Wind ergab sich ein Zwielicht, das eine mystische Stimmung erzeugte. Nach 45 km erreichten wir die Dune 45, die scheinbar deshalb beliebt ist, weil sie am Morgen die erste Düne ist, die man im Dunkeln besteigen kann und man mit dem Sonnenaufgang oben ankommt. Am Abend erschien sie uns unspektakulär und wir fuhren weiter Richtung Vlei. Unser Ziel war es, noch im Sossusvlei anzukommen und die Abendstimmung dort auf uns wirken zu lassen. Plötzlich wurde der Sturm immer stärker und von jetzt auf gleich lag die Sichtweite unter 2 – 3 Metern. Wir waren zumindest nicht mehr in der Lage den Mittelstreifen auf der Strasse zu erkennen und beschlossen umzukehren.
Pink Busses und ein Rennen durch die Wüste
Zurück an der Campsite verbrachten wir einen lustigen Abend mit einer Gruppe Schweden, die mit den Pink Busses – insgesamt reisten dort 46 Menschen mit – zwei Monate kreuz und quer durch das südliche und östliche Afrika reisten. Wir hatten eine gute Zeit zusammen und am Morgen bereiteten sich alle auf das Rennen vor. Als wir um 4:50 Uhr am Gate ankamen, standen dort bereits die Pink Busses und mehrere Overlander LKW. Wir hörten die Ersten gegen 4:30 Uhr von den Campsites abfahren. Es gilt scheinbar, als Erster am Gate zu stehen.
Das Rennen ins Sossus Vlei
Dann begann, mit etwa 20 Minuten Verspätung, das Spektakel: Die Tore wurden geöffnet und wir kamen uns vor wie in einem Wüstenrennen. Die ausgewiesene Höchstgeschwindigkeit beträgt 60 km/h. Die meisten fuhren 80 – 100 km/h. Es stellte sich heraus, dass man selbst damit zum Verkehrshindernis wird. Nicht selten wurden wir von südafrikanischen Trailer-Gespannen mit ca. 120 – 130 km/h überholt. Das virtuelle Messer zwischen den Zähnen war trotz Dunkelheit erkennbar. Bei Düne 45 standen sämtliche Pink Busses und Overlander auf dem Parkbereich. Wir konnten im Vorbeifahren bereits die ersten Menschen auf der Düne sehen. Alles dreht sich darum, vorn dabei zu sein. Was für ein Schauspiel.
Der Weg zum 4×4 Parkplatz
Im Vlei angekommen, liessen wir noch etwas Luft aus den Reifen. Dann machten wir uns auf, den Endparkplatz zu erreichen. Dieser liegt etwa 4 km von dem Hauptparkplatz entfernt und ist nur durch eine Fahrt durch Tiefsand erreichbar. 4×4 ist Voraussetzung, wobei SUVs an ihre Grenzen stossen oder diese auch gerne überschreiten. Für all die Besucher, die nicht über das geeignete Fahrzeug verfügen oder diese Fahrt nicht selber machen wollen, steht ein Shuttle bereit, um in einem uns unbekannten Rhythmus hin- und herzufahren und die Menschen an ihr Ziel bringt. Zwischendurch begegneten wir noch einem Dacia Duster, der sich bis zu den Radkästen eingebuddelt hat. Ihm wurde von einem Guide geholfen, sodass wir weiterfuhren.
Alleine im Sossusvlei
Am Zielparkplatz war nicht viel los. All die Teams und Einzelfahrzeuge, die auf der Fahrt so gestresst hatten, waren plötzlich weg. Es war seltsam, aber wir waren froh über die Leere. Mit ein paar anderen, es waren ausser uns noch vier andere Fahrzeuge da, verschafften wir uns einen Überblick und begannen, die Vordüne von Big Daddy zu erklimmen. Als wir mittendrin waren, zeigte sich die Sonne langsam hinter den Dünen und erzeugte eine wunderschöne Morgenstimmung. Gemeinsam mit fünf Briten stiegen wir Meter um Meter auf und erfreuten uns immer wieder an dieser Aussicht. Zweifelsohne muss der Überblick von Big Daddy noch fantastischer sein, aber wir entschieden uns, diese Düne nicht mehr zu bezwingen und stattdessen seitlich ins Dead Vlei abzusteigen. Bei uns gab es keine ‘Checkliste’ die es abzuarbeiten galt und so genossen wir die noch vorhandene Einsamkeit inmitten der abgestorbenen Bäume.
Die Massen kommen
Als wir genug gesehen hatten, machten wir uns auf zu dem Parkplatz. Wir staunten nicht schlecht, als wir die letzte Anhöhe vor dem Parkplatz überwunden hatten: Der Platz war voll mit Autos und Menschen. Überall versammelten sich Gruppen und wie durch einen unbekannten Schiedsrichter wurde der Run auf die Dünen eröffnet. Von jetzt auf gleich setzten sich Hunderte Menschen in Bewegung und kamen auf uns zu. Es war etwa 7.30 Uhr und wir waren froh, dass wir den Mehrbetrag aufgewendet hatten und uns so das Privileg des früheren Einlasses erkauften. Dadurch hatten wir in Ruhe alles anschauen können. Manche Menschen waren gerade 100 Meter im Sand gelaufen, aber sie schnauften bereits wie Lokomotiven und uns wurde angst und bange, wenn wir darüber nachdachten, wie diese Besucher auf die Dünen kommen wollten.
Wir fuhren den Weg gemütlich zurück, pumpten mit unserem Kompressor wieder die Reifen auf und beendeten das Massenabenteuer Sossusvlei. Die Dünen sind schon einzigartig und so nirgendwo sonst in Namibia zu finden. Wenn man das sehen möchte, kommt man nicht umhin als dieses Schauspiel mitzumachen und sich zu fügen. Es ist eben so, wenn alles organisiert ist. Namibia in 14 oder 18 Tagen zu erleben bedeutet Stress und die Gruppen fahren von einem bekannten Ort zum nächsten. Wir lieben eher die unbekannten, ruhigeren Orte. Von so einem handelt unsere nächste Etappe: als Teilnehmer des Tok Tokkie Trails laufen wir drei Tage in einer Kleingruppe durch die Namib und schlafen unter freiem Sternenhimmel.